ich freue mich sehr, dass du dir die zeit nimmst, meinen blog zu besuchen. kritisches und lobendes, anregungen, ergänzungen und diskussionen sind willkommen!

mein dank gehört allen, die diese kleine insel in meinem alltag unterstützen!

Donnerstag, 30. September 2010

a day in the life - answer of a social worker

heute habe ich einen text mit dem titel "a day in the life" gelesen; ein ganz gewöhnlicher tag im leben einer anderen frau, einer jazz-pianistin (http://www.finedaysforanybody.blogspot.com/).

mein alltag? es gibt in meinem alltag mama-tage und berufsfrau-tage; zweitere gibt es in unterschiedlicher form. berufsfrau-tage, an denen der käfer zu hause bei M ist und berufsfrau-tage, die der käfer in der kita verbringt. so ist es nach nur einem monat neuem alltag noch recht schwierig, alltag als alltag zu empfinden.

ich erwache mit motorengeräusche hirn-inseitig und müden augen - ich spüre, wie sich eine erkältung in meine nase geschlichen hat. der käfer zieht an ebendieser nase, liegt er doch nur einen gefühlten milimeter von mir entfernt. dort hat er sich nach einer frühmorgendlichen hungerattacke nochmals schlafen gelegt.

heute werden M und der käfer einen männertag verbringen und ich kann mich als berufsfrau austoben. dies beginnt schon beim start: ins badezimmer, mit dem hund raus, kaffee trinken und gleichzeitig kurz zeitung lesen - dies alles ungestört, ohne zeitdruck, weil der käfer heute nicht mich meint, wenn er seinen unmut kundtut.

ich fahre mit dem fahrrad durch die stadt... eine viertelstunde verkehr, lärm, rote ampeln. eine viertelstunde bewegung, eigene gedanken, kühle luft. ich bin wach und gut gelaunt.

im büro fröhliches hallo, etwas zeitdruck, in einer stunde ist teamitzung. ein bericht muss raus. er ist geschrieben, wird noch rasch von der chefin gegengelesen. in dieser zeit trinke ich den zweiten kaffee. dann text überarbeiten, ausrdrucken, unterschreiben - welche adresse muss aufs couvert?

vor der teamsitzung hole ich mir ein kleines frühstück in der institutionsküche.

die sitzung findet einmal die woche statt. am tisch sitzen sieben leute, zwei sind in den ferien. manche sprechen viel, manche wenig. informationen, organisatorisches, am längsten dauert die besprechung der klienten und klientinnen. mein highlight der sitzung: ich kann meine ferien zum geplantem zeitpunkt nehmen, obwohl da schon jemand anderes ferien hat. ich zahle den preis des schlechten gewissens den anderen teammitgliedern gegenüber...

noch eine dreiviertelstunde bis zum mittagessen mit der klientengruppe. kurzes gespräch mit dem neu eingetretenen klenten über sein wohlbefinden. dann im büro den termin vom nachmittag vorbereiten; empfehlungschreiben für die betreffende klientin schreiben und eine wegbeschreibung audrucken. zweiteres wird zum grössten projekt des morgens: google maps darf mir aus sicherheitsgründen in meinem büro kein kärtli veröffentlichen. ich zeichne das kärtli ab und finde später doch noch einen trick raus, wie ich die schikane (sicherheitsvorkehrungen?) unserer informatikgenies knacken kann. das ausgedruckte kärtli bewahre ich als trophäe auf.

mittagessen. dieses fühlt ich nicht als pause an. nette gespräche, ansonsten und gleichzeitig versuche ich, die stimmung in der gruppe wahrzunehmen. heute recht ruhig, verdächtig ruhig?

am nachmitag ein externer termin auf einem sozialdienst. während des intake-gesprächs meiner klientin werde ich nach meiner fachlichen meinung gefragt - das tut meinem berufs-ego gut.
ansonsten beelenden mich die gefühle, die meine klientin nun beschleichen. mit dem antrag auf sozialhilfe verliert sie in einigen lebensbereichen entscheidungsfreiheit, selbständigkeit und status. natülich, sie gewinnt auch - möglichkeiten, die sie sonst nicht hätte.
in diesem moment hasse ich die mediale sozialhilfemissbrauchsdiskussion.

kurzes telefongespräch mit M, ich komme später als geplant - ob es dem käfer gut gehe?

zurück ins büro. während der autofahrt versuche ich, meine klientin zu stärken, ihr das ohnmachtsgefühl nachvollziehbar zu machen. im büro gehe ich mit ihr papierkram durch, der eilt.

nach der kurzen übergabe an die abend- und nachtbetreuung ist mein arbeitstag beendet. ich steige aufs fahrrad. und radle los. und singe. und sehne mich plötzlich enorm nach dem käfer. und freue mich auf den abend mit M.
ich fahre schnell und es tut gut, etwas ins schwitzen zu kommen.

M hat gekocht und es riecht wunderbar. der käfer strahlt mich an.

ich bin kopfmüde vom vielen gerede und vom computer. der käfer bläst dies weg. er ist da, er will sein abendessen, er will ins pyjama und ins bett gebracht werden.

danach bin ich erschöpft. das sofa fängt mich auf.
es war ein guter tag, es war ein voller tag.
und ich freue mich wahnsinnig auf den darauf folgenden tag; es wird ein mama-tag sein!

Donnerstag, 9. September 2010

werbung

es war einer der tage, an denen der käfer von mir in die kita gebracht wird. die bring- und holzeiten sind begrenzt. der käfer schlief länger als üblich und ich nutzte die zeit, um zu tun, als hätte ich ein organisationstalent (ob es wohl wirklich existiert?). dann war alles vorbereitet, ich war äusserlich und innerlich bereit für den tag.

der käfer erwachte mit sanfter hilfe meinerseits. wir waren doch sehr knapp in der zeit; mit geplant zügigem fussmarsch eigentlich gerade richtig. der käfer war gut gelaunt, bestaunte mein kunststück, mir die tasche umzuhängen und die schuhe anzuziehen ohne ihn dafür abzulegen, betrachtete im treppenhaus wie jeden tag die fensterluke, erkannte im erdgeschoss seinen kinderwagen, staunte, als ich begann, ihm ein zusätzliches jäckchen anzuziehen und dann...

der käfer erbrach. keine grosse menge, nichts ekliges. es war ein kleiner schluck eines eineinhalb stunden zuvor getrunkenen schoppens - allerdings mit ordentlich kraft und in blödsinnig ungeeignetem winkel. er traf das halb angezogene jäckchen, seinen pullover und auch seine hose. er traf auch mein t-shirt und meine hose. arrrrgh!!

in der kita kennen sie mich bereits als unpünktliche person. nun noch zusätzlich eine mama zu sein, die säuerlich riechend ein säuerlich riechendes kind abgibt, wollte ich mir und den kita-frauen dann doch ersparen.

also rauf in die wohnung, in windeseile den käfer ausgezogen und neu angezogen, mir neue kleider ausgesucht, diese angezogen, das halstuch ging vergessen. der käfer schaute mir belustigt zu und grinste mich herzhaft an, worauf ich auch begann, der situation etwas lustiges abzugewinnen...

vor vielen jahren, ich war noch ein kleines mädchen, prägte meine schwester den satz: "das könnte man für die werbung brauchen!" damit meinte sie einen besonders wohlgeformten und gefärbten apfel, der sich von dr. best hätte beissen lassen können. oder ein schön geschnittenes, appetitlich aussehendes stück torte auf dem teller. oder ein frisch poliertes auto auf der strasse.

ohne es zu wissen, lieferte meine schwester mir mit diesem satz ein synonym für zustände, die etwas besonders gut auf den punkt bringen oder dinge, die vollkommen erscheinen. der satz schwirrt mir von zeit zu zeit durch den kopf, er ist vielseitig anwendbar...

in zügigem fussmarsch ging ich also den weg zur kita. in der einen hand das handy, ein sms tippend (verspätungs-entschuldigungen per sms werden in meinem arbeitsteam glücklicherweise gut akzeptiert), mit der anderen hand den kinderwagen stossend. und wie ich so durchs quartier rausche kommt mir der satz meiner schwester in den sinn: "das könnte man für die werbung brauchen!"

bloss, wofür?

Donnerstag, 2. September 2010

gesprächsstoff

M, der käfer und ich waren heute nachmittag an einem wirklich schönen ort, wo sich sehr leicht ein so traumhafter spätsommernachmittag verbringen lässt.

ich löffelte gerade den schaum meines latte macchiato, M schlürfte den hauch seines espresso, der käfer spielte auf dem rücken liegend begeistert mit einer packung papiertaschentüchern...

in diese idylle hinein begann ich, die beiden frauen neben uns zu belauschen. beide frauen waren gekonnt entspannt und wirkten befreundet. beide hatten kinder, jeweils im noch-an-den-kinderwagen-gefesselt-alter.
und sie hatten gesprächsstoff!! niemals (!) kann man frauen auf diese weise reden hören und reden sehen, wie in dieser kombination: vertrauensbasis vorhanden, kinder ungefähr gleich alt, mindestens zwei stunden zeit.
in winzigsten details tauschten sie ihre neuesten mama-erfahrungen aus. so interessiert! so emphatisch! so wertschätzend!

aus eigener erfahrung kann ich sagen: die beiden gingen mit glücksgefühlen auseinander.

ich habe auch glück: fühlt sich doch mein mama-sein zur zeit so entspannt an, dass ich die beiden in keinster weise um ihren gesprächsstoff beneidet habe!

war's das, herr schlink?

ich lese zur zeit das neue buch von bernhard schlink.

wie habe ich mich gefreut, als ich in der zeitung die positive kritik las! ich erfuhr auf diese weise über diese literarische neuerscheinung und mein herz hüpfte...
kurz nach dem erscheinen lag das buch frisch und noch verschweisst in unserem schlafzimmer auf der kommode. vorfreude ist eine wirklich schöne freude und seit der geburt des käfers ist lesen keine eigentliche freizeitbeschäftigung mehr, sondern ein verheissungsvolles date.

bernhard schlink - ein wirklich wunderbarer schriftsteller, finde ich. ich mag seine schlichte sprache, seine figuren, die er respektvoll zeichnet. ich mag seine ideen, die verstrickungen und die lügen. ich mag, was er in seinen geschichten mit den menschlichkeiten der menschen in der westlichen kultur macht. ich mag, was er mit mir als leserin macht.
nun, nach zwei von sieben kurzgeschichten, kommt die frage auf: war's das, herr schlink?

darf ein mann, der so erfolgreich ist wie er, seine geschichten den immer wieder gleichen fragestellungen begegnen lassen? darf sein themenkreis so eng sein?

als junge frau, die als teenager davon träumte, mit büchern berühmt zu werden und die sich daher sehr wohl damit auseinandergesetzt hat, warum wer auf welche weise kleinere und grössere literarische erfolge feiert, beunruhigt mich der gedanke, dass er das tun dürfte.
ist er überhaupt jemandem, ausser sich selbst natürlich, darüber rechenschaft schuldig?

so begleitet mich nun bei seinem neusten buch leider die frage, ob wohl gerade sein erfolg der grund dafür ist, dass er seinen themenkreis nicht verlässt, nicht daraus ausbricht, mich als leserin nicht überrascht.

ich jammere auf hohem niveau... reaktionen haben schliesslich viel mit erwartungen zu tun.
ich freue mich trotzdem auf die fünf geschichten, die mir noch bleiben; ich freue mich auf die kleinen abgründe darin. und ich hoffe insgeheim, dass herr schlink für mich noch überraschungen bereit hält!